Mittwoch, 22. September 2010

Predigt “Die Weisheit eines Lebens” (Joni Eareckson Tada)

Danke, Freunde. Danke. Ich bin so glücklich, heute hier bei Ihnen zu sein und mit Ihnen meine Begeisterung, mein Glück und mein Freude an Jesus zu teilen. Aber ich sage Ihnen, ich war nicht besonders erfreut, als ich vor einem oder zwei Monaten auf dem Titel des Newsweek Magazin in fetten Buchstaben lesen musste: Der Niedergang und Fall des Christentums. Dort wurde ein ziemlich düsteres Bild von Christen gezeichnet; ihrer Verwicklung in die Finanzkrise, Drogen und den Zerfall der amerikanischen Familie. Selbst Menschen wie ich wurden in ein sehr schlechtes Licht gerückt. Heutzutage denkt die Gesellschaft, dass wenn jemand wie ich, der querschnittgelähmt ist, eine völlig vernünftige und rationale Entscheidung trifft, wenn er sein Leben beenden möchte. Sie sehen mich an und sagen: Es ist doch besser für sie, wenn sie tot ist als behindert. Die Welt ist anders, als zu der Zeit, als ich meinen Unfall hatte. Und jetzt brauchen wir Weisheit. Mehr, als je zuvor, nicht wahr? Weisheit zum Leben. Nicht nur zum Überleben, sondern, dass wir fröhlich leben und mit großer Freude in einer Welt, die so voller Aufruhr ist, so viel Schlechtigkeit erträgt und so viel Kummer. Nun will ich nicht behaupten, nach 42 Jahren so besonders viel Weisheit verbreiten zu können. Aber wenn man diese 42 Jahre, so wie ich, in einem Rollstuhl erlebt hat, ohne seine Hände und Beine gebrauchen zu können, und gelähmt ist, dann hat man etwas zu sagen, besonders wenn man lächelt. Dann hat man einen Schlüssel, der anderen den Sinn ihres scheinbar sinnlosen Leidens aufschließen kann. So hoffe ich, heute einige Körnchen aus einem Leben voll Weisheit weitergeben zu können.

Das erste Körnchen, wie soll ich es erklären? Ich schätze, ich habe es erlebt, als ich heute Morgen aufgewacht bin. So wache ich zu 75 oder 80 % der Zeit immer auf. Ich höre immer, wie die Haustür aufgeht, und ich weiß, meine Freundin ist in der Küche und kocht Wasser für den Kaffee. Sie macht sich bereit, mir beim Aufstehen und Anziehen zu helfen, setzt mich in den Rollstuhl, putzt mir die Zähne, bürstet mir die Haare, putzt mir die Nase und bringt mich zur Vordertür. Sie ist da, um mir beim Aufstehen zu helfen. Ich liege im Bett in meinem Schlafzimmer, die Tür ist zu und ich denke folgendes: Oh, Gott, ich habe keine Kraft dazu. Ich bin so müde. Oh, Herr, 42 Jahre im Rollstuhl, gelähmt, querschnittgelähmt, ich habe keine Kraft, mir fehlt die Energie dazu. Ich kann das nicht, Herr, Gott. Ich habe keine Kraft, für die Frau zu lächeln, die gleich in mein Zimmer kommt. Ich soll sie anlächeln, aber ich habe kein Lächeln. Ich bin so müde. Oh, Gott, ich kann so nicht leben. Sind Sie schon mal aufgewacht und haben sich so gefühlt? Willkommen in der Menschheit. Und dann bete ich: Herr, ich habe keine Kraft, und keine Energie. Aber ich habe dich und ich brauche deine Energie. Ich brauche deine Stärke. Ich kann die Querschnittlähmung nicht verändern, Herr. Aber ich kann alles schaffen durch dich, wenn du mich stärkst. So, Gott, gib mir bitte dein Lächeln. Ich habe kein Lächeln für diese Frau, aber du hast ein Lächeln. Darf ich mir bitte dein Lächeln ausleihen? Und einen Augenblick später kann ich lächeln. Das ist schon ein Wunder. Ich erlebe ein Wunder, noch vor halb Acht morgens, weil meine Freundin hereinkommt und ich lächeln kann. Nicht trotz meiner Lähmung, sondern wegen ihr. Meine Lähmung hat mich jeden Morgen zum Kreuz von Jesus Christus gebracht, wo ich ihm sage, wie furchtbar dringend ich ihn brauche. Um dieses Lächeln wurde also schon hart gekämpft und es wurde hart gewonnen am frühen Morgen. Das ist das erste Körnchen Weisheit: Beginne deinen Tag in dem Bewusstsein, dass du Jesus Christus dringend brauchst.

Das zweite Körnchen Weisheit ist, dass ich, wenn ich aus der Tür fahre, hinausgehe mit einem Ziel. Dieses Ziel ist es, mein Leben an diesem Tag so zu führen, dass ich nach den Absichten Gottes Ausschau halte. Ich lebe heute. Das muss einen Zweck haben. Herr Jesus, was ist heute dein Auftrag an mich? Ich gehe aus dem Haus mit dem Vers aus Philipper 3, 8 - 10 in meinem Herzen und dort steht: Ich will Christus erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und seiner Leiden teilhaftig werden und ihm gleich werden in seinem Sterben. Wir alle wollen Christus kennen, nicht wahr? Sicher. Wir alle möchten seine Kraft erleben, die Kraft der Auferstehung. Aber nicht viele möchten auch seine Leiden teilen. Wir folgen ihm zum Strand, wo er vom Boot aus predigt, und wir folgen ihm auf die grüne Wiese, wo er über die Lilien auf dem Felde spricht. Und, oh ja, wir sehen ihm gerne zu, wie er die Kinder segnet. Wir stellen uns Jesus gerne vor, wie nett er ist, nahbar, sanft im Benehmen, wie er die Kinder segnet. Aber nicht viele von uns wollen die Gemeinschaft seiner Leiden erleben. Und so treibt uns Gott in seiner Güte die Straße nach Golgatha hinunter, wo wir, rein menschlich gesehen, nicht geneigt sind, hin zu gehen. Wir haben keine natürliche Neigung, jeden Tag zum Kreuz zu gehen. Deshalb lässt Gott uns Leid erleben. Das Leid ist wie ein Schäferhund. Ein Schäferhund, der nach Ihren Fersen schnappt und Sie die Straße hinunter hetzt, hin zum Kreuz, wo Sie sonst normalerweise nicht hingehen würden. Sie werden dort hingetrieben durch die überwältigende Einsicht, dass Sie nirgendwo anders hinkönnen. Deshalb lässt Gott zerbrochene Herzen zu. Er lässt kaputte Familien zu. Er lässt es zu, er erlaubt es, er verhindert es nicht, er lässt sogar ein gebrochenes Genick zu, bis wir zerbrochen, gebeugt, am Ende und dezimiert sind. Und dann sind wir beim Kreuz und sagen: Gott, ich brauche dich. Dort werden wir wie er in seinem Sterben. Wissen Sie, was dieser Satz aus Philipper 3 bedeutet? Ihm gleich zu werden in seinem Sterben heißt: Jeden Tag sein Kreuz auf sich zu nehmen und die Sünden aufzugeben, für die er am Kreuz gestorben ist, die Ängste und Sorgen um die Zukunft aufzugeben, die Sünde der Ablehnung, der Verdrehung der Wahrheit, der Manipulation oder den Drang sich durchzusetzen, aufzugeben. Diese Dinge aufzugeben. Sie geben Zorn, Unglaube und Sorgen auf. Das heißt es, ihm gleich zu werden in seinem Sterben, täglich sein Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen, der sein Kreuz getragen hat und für die Sünden gestorben ist, die wir täglich erleben.

Ich bin einmal einem Mann in Ghana begegnet, als wir Rollstühle geliefert haben. Er kam zu mir, robbte auf seinen Händen und zog seine Beine hinterher und sagte: Oh Joni, willkommen in unserem Land, wo Gott so viel größer ist. Er ist größer, Joni, weil wir ihn nötiger brauchen. Ist das nicht wahr? Wir haben in diesem Land so viel. Wir sind so gesegnet. Deshalb bringen wir Rollstühle und Bibeln in alle Welt. Wir sind so reich gesegnet, also nehmen wir diese Rollstühle, große und kleine, und bringen sie Kindern und Erwachsenen, die behindert sind, in weniger entwickelten Ländern. Wir bringen ihnen die Liebe Jesu und Bibeln, wir bringen das Evangelium, die gute Nachricht. Wir möchten gerne, dass Menschen erkennen, dass sie es nötig haben, jeden Tag zum Kreuz zu kommen, damit sie Gottes Plan und seinen Auftrag an sich verstehen für diesen Tag. Wissen Sie, wer die wirklich behinderten Menschen sind? Wollen Sie es wissen? Das sind die Menschen, denen nicht klar ist, wie dringend sie Gott brauchen. Das sind die, die morgens den Wecker hören, ihre Decke von sich werfen, aus dem Bett springen, ein schnelles Frühstück einwerfen, Gott ein knappes Hallo als Stille Zeit hinwerfen und dann aus der Haustür gehen und ihren Tag wie mit einem Tempomat durchfahren. Wissen Sie, dass, falls Sie so handeln, Gott gegen Sie ist? Im Jakobusbrief Kapitel 4, Vers 6 steht: Gott lehnt den Stolzen ab. Andere Übersetzungen sagen: Er widersteht dem Stolzen. Er ist gegen die Stolzen. Und die Stolzen sind die, die ihr Leben aus eigener Kraft führen. Aber er sagt auch: Aber er gibt Gnade, Gnade über Gnade den Demütigen. Und wer sind die Demütigen? Die, die erkannt haben, dass sie Gott dringend brauchen. Weil sie leere Hände haben und geistlich arm sind. Jesus selbst sagte: Selig sind die geistlich Armen, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Wer sind die geistlich Armen? Die, die jeden Tag mit leeren Händen zu Jesus kommen und ihn geistlich arm bitten, ihnen den Zweck ihres Lebens an diesem Tag zu erklären. Denn wir werden alle nur reicher, wenn wir unsere geistliche Armut erkennen. Freunde, wir alle werden nur stärker, wenn wir unsere Schwächen erkennen. Gestehen Sie also, dass Sie Gott brauchen, dringend und unbedingt. Gehen Sie aus der Tür und fragen Sie nach dem Zweck dieses Tages. Das ist die biblische Art zu leben. Das ist die einzige Art zu leben, die christliche Lebensart.

Ein letztes Körnchen Weisheit noch: Wenn ich das Haus verlasse, weiß ich, dass Gott mir sehr weise Dinge zeigt, über sich selbst, über die Menschen, denen ich begegne, und über meinen Auftrag für diesen Tag. Aber ultimative Weisheit bedeutet nicht, dass man alles aus Gottes Sicht sehen kann. Weisheit ist, Gott zu vertrauen, selbst dann, wenn man die Dinge nicht aus seiner Sicht sehen kann. So weiß ich z.B., dass ich eines Tages aus diesem Rollstuhl springen werde und im Himmel tanzen, springen und Aerobic machen werden. Ich kann es kaum erwarten. Philipper 1 sagt mir, dass wir sehnsüchtig auf einen Retter warten, unseren Herrn Jesus Christus, der unsere schwachen Leiber verwandeln wird, ja auch meinen gelähmten. Gott wird diesen schwachen Körper in einen herrlichen Körper verwandeln. Das ist doch eine herrliche Wahrheit aus Gottes Wort. Ja. Wir werden nicht zu sphärischen Geistwesen, nein! Wir werden Körper haben, die funktionieren, Hände, die fühlen und berühren können und halten und umarmen. Zum allerersten Mal werde ich meinen Mann umarmen können und ihn spüren, wirklich spüren. Und wissen Sie, was ich noch hoffe, wenn ich in den Himmel komme? Ich hoffe, ich kann diesen alten schweren Rollstuhl mitnehmen. Ich weiß, das steht nicht in der Bibel und ist theologisch nicht korrekt, aber, wenn ich es könnte, würde ich den Rollstuhl direkt dort drüben hinstellen, hier her. Okay. Dann würde ich aufstehen und hinübergehen, mit meinem herrlichen, verwandelten Körper, das begeistert mich, und würde mich direkt neben Jesus stellen. Ich würde seine durchbohrten Hände halten und ihm sagen: Jesus, danke. Danke, dass du mich gerettet hast. Danke, dass du mich erlöst hast, als ich meine Sünden an deinem Kreuz abgelegt habe. Und, Jesus, mir ist nicht ganz klar, warum Du es zugelassen hast, dass ich mir das Genick breche. Siehst du diesen Rollstuhl da drüben? Jesus, du hattest Recht, als du gesagt hast, dass wir in dieser Welt leiden würden. Dieses Ding hat mir viel Leid gebracht. Eine Menge Leid. Aber, Jesus, dass ich im Rollstuhl saß, hat mich zu dir gedrängt. Je schwächer ich in diesem Rollstuhl war, umso mehr habe ich mich an dich gehalten, Herr Jesus. Und je mehr ich mich an dich gehalten habe, umso mehr habe ich entdeckt, wie stark du bist. Und, oh Herr, Gott, ich glaube nicht, dass ich je verstanden hätte, wie kostbar deine Gnade ist und deine Stärke ohne dieses klobige Ding. So, Vater, danke ich dir, Herr Jesus, ich preise dich. Heiliger Geist, ich bin so dankbar für die Energie, die du mir jeden Tag gegeben hast. Und jetzt, Jesus, wenn du willst, kannst du dieses Ding in die Hölle werfen.
Ich schätze, das steht auch nicht in der Bibel, aber eines weiß ich: Nach 40 Jahren im Rollstuhl, nein 42, ich verzähle mich ganz sicher nicht, nach 42 Jahren als Querschnittsgelähmte kann ich sagen, dass mein eigenes Leiden wie ein eiskalter Wasserguß von Gott war, um mich aus meinem geistlichen Schlaf zu wecken. Dieser Rollstuhl hat mich dazu gebracht, ernsthaft über die Herrschaft Jesu Christi in meinem Leben nachzudenken. Er hat meine Gebete vertieft. Er hat mir fröhliche Hoffnung auf den Himmel verschafft. Er hat mich dazu gebracht, mich um andere Behinderte zu kümmern und voller Leidenschaft um die Welt zu reisen um Rollstühle und Bibeln zu verteilen. Er hat geholfen, diese skeptische und zynische Welt davon zu überzeugen, dass es im Leben Wichtigeres gibt, als Laufen zu können. Es gibt Wichtigeres, als seine Hände gebrauchen zu können. Im 1. Petrusbrief, Kapitel 2, Vers 21 steht: Dazu hat euch Gott berufen. Denn auch Christus hat für euch gelitten, und er hat euch ein Beispiel gegeben, dem ihr folgen sollt. Herr Jesus, ich will deinem Beispiel folgen. Ich will mein Kreuz täglich auf mich nehmen und mich nicht beklagen, weil du, Herr Jesus, mir gezeigt hast, dass der Himmel real ist und die Hölle auch. Dieser Rollstuhl hat mich gelehrt, dass du, der Mann der Schmerzen, auch der Herr der Freuden bist. Du bist die ultimative Antwort. Du hast mir so eine Leidenschaft für das Evangelium gegeben und, Herr Jesus, das wäre nicht gegangen, wäre ich auf meinen Füßen gestanden. Herr, du bist berauschend. Dich zu kennen, ist unbeschreiblich. Du bist mir mehr wert als Diamanten und Silber. Deine Freundschaft ist alles wert, Jesus. Und, liebe Freunde, wissen Sie was? Sie brauchen sich nicht das Genick zu brechen, um zuzustimmen. Gott segne Sie an diesem fröhlichen Morgen und Danke für’s Zuhören. Danke.